Geschichte

Hardegser Kalksteinabbau von früher bis heute

Historischen Belegen zufolge werden die Kalksteinvorkommen der Region Hardegsen seit den Zeiten der Wende des 19. zum 20. Jhdt. wirtschaftlich abgebaut und genutzt. Eine Studie aus dem Jahr 1906 dokumentiert die Ausbeutung des hiesigen Kalks zum Mergeln der Felder sowie die Nutzung der plattigen Kalke als Wegebaumaterial (Königlich Preußische Geologische Landesanstalt (Hrsg.), Erläuterungen zur geologischen Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten. Blatt Hardegsen, Berlin 1906). Zu diesem Zeitpunkt existierte ferner schon das Unternehmen Kalksteinbrüche und Kalkwerke Hardegsen, das 1897 von vier Hardegser Bürgern gegründet worden war. Im Werk, das unterhalb des östlichen Galgenbergs lag, wurden bis 1903 Ziegel und Backsteine, Düngekalk, Baukalk, Pflastersteine, Steinsplitt, Bordsteine und Zement produziert und vertrieben. Die Grundstoffe Kalk und Ton wurden vor Ort abgebaut, Kohle zum Befeuern der Brennöfen per Bahn zugeliefert.

Vom Kalk zum Portlandzement

Die aufgrund von Kalksteineinschlüssen mindere Qualität der in Hardegsen hergestellten Backsteine und Ziegel brachte die Kalkwerke in eine finanzielle Schieflage und bedingte 1903 das Ende der Herstellung dieser Produkte in Hardegsen. 1904 suchten die Gründer des Unternehmens dann den Kontakt zum Hannoveraner Zementhersteller Hermann Manske. Dies mündete noch im Oktober desselben Jahres in die Gründung der Portland-Cement- und Kalkwerke H. Manske & Co. GmbH Hardegsen unter Beteiligung von insgesamt 19 Gesellschaftern. Es folgte 1913 die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, die im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Umfirmierungen erfuhr.

Um- und Neubauten, Modernisierungen und Technisierungen, aber auch die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Unbilden der deutschen Geschichte prägten die ambivalente Entwicklung des Zementwerks in Hardegsen. Den absoluten Tiefpunkt bildet das Jahr 1932 mit nur noch 84 Beschäftigten und einer Zementversandmenge von 26.300 t/Jahr. Die absolute Hochzeit mit 377.558 t versandtem Zement bei 117 Beschäftigten erlebte das Werk mit dem Jahr 1986. Höhere Mitarbeiter*innenzahlen gab es indessen mit durchschnittlich 200 Arbeitskräften in den 1950er Jahren. Durch technischen Fortschritt erhöhte sich jedoch laufend die Produktivität pro Arbeitskraft, von 40 t/Jahr in den Anfängen der Zementherstellung (ab 1824) auf 2.055 t/Jahr in der Mitte der 1970er Jahre.

Der Weper-Kalksteinbruch

1974 wurde der Steinbruch am Galgenberg aufgegeben und der Steinbruch Hardegsen-Lutterhausen in der Weper erschlossen. Das Zementwerk in Hardegsen konnte jedoch letztlich dem Konkurrenzdruck aus Westfalen und, nach dem Ende der DDR, auch Thüringen nicht mehr standhalten. So wurde 1996, firmierend unter der hannoverschen AG „Nordcement“, die Schließung bestimmt. Neben der Konkurrenzsituation war das Werk zu diesem Zeitpunkt auch durch eine mehrjährige Auseinandersetzung mit der Stadt Hardegsen, einer Bürgerinitiative und Aufsichtsbehörden in Bezug auf Rohstoff- und Umweltaspekte gebeutelt. Eine Umweltverträglichkeitsstudie durch den TÜV Hannover kam zwar zu dem Ergebnis, dass knapp 100 Jahre Zementherstellung in Hardegsen zu keinerlei Beeinträchtigungen der Umwelt geführt hatten. Dennoch konnte dies das Schicksal des Werkes nicht mehr abwenden.

1998 stellte das Werk seine ursprüngliche Produktionstätigkeit ein. Etwa ein Viertel der 120 Beschäftigten erhielten einen vorübergehenden Folgejob, bei dem sie Hochofenschlacke zu Hüttensand vermahlten, bevor das Werk im Jahr 2003 endgültig schloss. Auch der Weper-Steinbruch Hardegsen-Lutterhausen wurde in diesem Jahr stillgelegt.

Neue ‚Kalksteinzeit‘ in Hardegsen mit AO

Ein Jahr nach der Schließung des Zementwerks, im Jahr 2004, übernahm eine Tochterfirma der August Oppermann Kiesgewinnungs- und Vertriebs-GmbH den Kalksteinbruch Hardegsen-Lutterhausen. Ein Abbau im Regelbetrieb fand jedoch in den ersten Jahren nach der Übernahme nicht statt. Das Unternehmen konnte die Nachfrage nach Kalkstein in der Region mit den dereinst noch vollwertig aktiven Kalksteinbrüchen in Vogelbeck, Emmenhausen und Elvese abdecken. So fungierte Hardegsen-Lutterhausen zunächst als Bedarfswerk, in dem gelegentlich kleinere Mengen Kalkstein abgebaut wurden.

Mit der allmählichen Erschöpfung der anderen Kalksteinwerke wurden die Planungen für die Ertüchtigung von Hardegsen-Lutterhausen als reguläre Produktionsstätte aufgenommen. Im Werk Vogelbeck wurde ab Dezember 2017 kein Kalkstein mehr neu gebrochen und nur noch bereits produziertes, lagerndes Material verkauft. Emmenhausen stellte im Juli 2020 den Verkauf von Kalkstein ein. Es kam sichtlich – und bald auch deutlich sichtbar – Bewegung in den Aufbau einer modernen Produktionsanlage in Hardegsen, die dann im 2. Quartal 2023 ihren Betrieb aufnahm.